Wie Lernen im Gehirn funktioniert – Praktische Ansätze für den Schulalltag
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Das Verständnis der neurologischen Grundlagen des Lernens hilft, den Lernprozess besser zu verstehen und die richtigen Lehrmethoden auszuwählen.
In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die wichtigsten Prinzipien des Lernens im Gehirn und zeigen auf, wie diese im Schulalltag umgesetzt werden können.
1. Emotionen und Lernen
Emotionale Verknüpfungen:
Die Beziehung zwischen Emotionen und Lernen ist äußerst eng. Studien zeigen immer wieder, dass das Gehirn Informationen, die mit positiven Emotionen verknüpft sind, deutlich besser speichert. Wenn ein Lerninhalt emotional aufgeladen ist – sei es durch Begeisterung, Freude oder Interesse – wird dieser nicht nur leichter erinnert, sondern die Motivation dafür steigt ebenfalls. Stress, Frustration, Angst und andere negative Emotionen hingegen können das Lernen erheblich erschweren.
Das liegt daran, dass wenn wir gestresst oder überfordert sind, unser Gehirn in einen „Kampf-oder-Flucht“-Modus versetzt wird, der die Fähigkeit zur Informationsaufnahme und -speicherung stark einschränkt. In diesem Zustand, der durch eine hohe Aktivität der Beta-Gehirnwellen gekennzeichnet ist, sind wir eher damit beschäftigt, unmittelbare Herausforderungen zu bewältigen, als neue Informationen langfristig abzuspeichern.
Ein entspannter Zustand ist von Gehirnwellen im Alphabereich gekennzeichnet, der ideal für das Lernen ist. In diesem Zustand ist unser Gehirn besonders empfänglich für neue Informationen und kann diese effizient speichern.
Praktischer Ansatz für den Unterricht:
Emotionen sollten nicht nur berücksichtigt, sondern aktiv in den Lernprozess integriert werden. Positive Emotionen und Entspannung sollten gefördert, während negative Emotionen wie Angst, Stress und Frustration vermieden werden sollten.
Positives Klassenklima schaffen:
- Atmosphäre des Respekts und der Wertschätzung kreieren
- Jeder Schüler und jede Schülerin sollte möglichst angehört und anerkannt werden
Fortschritte loben, nicht nur perfekte Ergebnisse:
- Anerkennung bereits für Bemühungen und Fortschritte
- Vermeidung von negativen Emotionen wie Scham oder Frustration durch positive Formulierungen: „Das kannst du noch besser!“ anstatt „Schon wieder falsch!“
Achtsamkeit und Entspannung einführen:
- Kurze Momente der Achtsamkeit und Entspannung zu Beginn oder Ende der Stunde einbauen (z. B. in Form kurzer Atemübungen oder Fantasiereisen)
2. Die Rolle von Wiederholung und Übung
Wiederholung zur Festigung des Wissens:
Wie wir wissen, können auch Wiederholung und Übung enorm dabei helfen, Wissen im Langzeitgedächtnis zu verankern. Jedes Mal, wenn wir eine Information wiederholen oder eine Fertigkeit üben, verstärken wir die synaptischen Verbindungen zwischen den Neuronen unseres Gehirns. Diese sind die „Brücken“, die es uns ermöglichen, Informationen leichter abzurufen und die gelernten Inhalte schneller zu nutzen.
Wiederholung ist jedoch nicht gleich Wiederholung. Studien zeigen, dass nicht jede Form von Übung die gleiche Wirkung auf das Lernen hat. Besonders gezielte Wiederholung der Elemente, die noch schwerfallen, hat sich hier bewährt. Fehler machen und korrigieren gehört ebenso zur gezielten Übung wie das kontinuierliche Anpassen und Herausfordern der eigenen Fähigkeiten.
Praktischer Ansatz für den Unterricht:
1. Kurze, regelmäßige Wiederholungsphasen einbauen
Anstatt Stoff nach abgeschlossenen Einheiten nicht mehr erneut zu behandeln, können kurze Wiederholungsphasen zu Beginn oder am Ende der Stunde eingebaut werden. Zum Beispiel:
- Tägliche Mini-Wiederholungen: Zu Beginn jeder Stunde kann man kurz das Thema der letzten Stunde ansprechen und rekapitulieren oder einen kurzen Test machen, um das Wissen aufzufrischen.
- Wiederholung in Abständen: Die Schülerinnen und Schüler können angehalten werden, nach einem Tag, einer Woche und einem Monat das Gelernte kurz zu wiederholen, um die Informationen langfristig zu behalten.
2. Lernspiele und Interaktive Übungen
Lernspiele oder kleine interaktive Übungen können helfen, das Wissen auf eine angenehme Weise zu wiederholen:
- Quiz und Flashcards: Kleine Quiz-Runden zu Beginn oder am Ende einer Stunde fördern das wiederholte Abrufen des Wissens und machen das Lernen spielerisch.
- Gruppenarbeit: In Gruppen können Schülerinnen und Schüler sich gegenseitig Fragen stellen oder kleine Diskussionen führen, um das Gelernte zu wiederholen und zu festigen.
3. Gezielte Übungen für schwierige Themen
Statt nur das Gelernte allgemein zu wiederholen, sollte der Fokus auf den schwierigen oder unklaren Punkten liegen:
- Zielgerichtete Aufgaben: Bei der Bearbeitung von Aufgaben können die Schülerinnen und Schüler gezielt an den Bereichen arbeiten, die noch Schwierigkeiten bereiten.
- Fehler als Lernchance nutzen: Fehler sollten nicht als negativ betrachtet werden. Stattdessen kann die Lehrkraft die Schülerinnen und Schüler dazu ermutigen, ihre Fehler zu analysieren und zu korrigieren. Dabei hilft ein positiver, motivierender Ansatz wie „Das hast du fast richtig gemacht, jetzt versuch es nochmal so …“.
Mehr zum positiven Umgang mit Fehlern erfahren Sie im Beitrag "Fehler als Chance – eine neue Perspektive auf Scheitern in der Schule"
3. Multisensorisches Lernen – Der Einfluss von Sinneseindrücken
Multisensorisches Lernen bezeichnet die Nutzung mehrerer Sinne gleichzeitig, um Informationen zu verarbeiten und zu speichern. Es macht sich die Erkenntnis zu Nutze, dass das Gehirn Informationen nicht nur durch Sehen oder Hören verarbeitet, sondern auch durch andere Sinne wie Tastsinn, Geruch und Geschmack. Je vielfältiger wir verschiedene Sinneskanäle im Rahmen des Lernprozesses nutzen, desto mehr neuronale Verknüpfungen entstehen, was zu einer stärkeren und langanhaltenden Speicherung im Gedächtnis führt.
Wenn wir also z. B. ein neues Wort lernen, ist es nicht nur hilfreich, das Wort zu hören oder zu sehen, sondern auch, es laut auszusprechen oder mit einem bestimmten Bild zu verknüpfen. Viele Sprachenlernapps machen sich diese Tatsache bereits zu Nutze.
Verschiedene Sinneskanäle im Schulalltag anzubieten, kann außerdem individuelle Lernstile fördern: Nicht jeder Mensch lernt am besten auf dieselbe Weise. Einige sind eher visuell orientiert, während andere besser auf auditives Lernen oder kinästhetische Erfahrungen reagieren. Multisensorisches Lernen hilft, den verschiedenen Lernstilen gerecht zu werden und ermöglicht eine individuelle Anpassung der Lernmethoden.
Praktischer Ansatz für den Unterricht:
Versuchen Sie, möglichst alle Sinne in den Lernprozess miteinzubinden:
- Lernen mit Bildern und Videos: Nutzen Sie visuelle Hilfsmittel, um abstrakte Konzepte zu veranschaulichen. Erstellen Sie Mindmaps oder Diagramme, um das Gelernte zu strukturieren.
- Auditive Verstärkung: Stellen Sie Podcasts oder Audio-Lektionen zur Verfügung und motivieren Sie die Schülerinnen und Schüler, diese unterwegs zu hören, und wenn es die Situation zulässt, das Gelernte laut zu wiederholen. Für Schülerinnen und Schüler, die gerne Inhalte erstellen, kann auch die eigene Produktion solcher Podcasts eine Möglichkeit sein, die sie sich anschließend anhören können.
- Hands-on, wann immer möglich: Experimentieren Sie mit dem Lernstoff, indem Sie praktische Übungen machen, die mit der Theorie verbunden sind. Lassen Sie, wo es möglich ist, die Schülerinnen und Schüler Materialien in die Hand nehmen, Modelle bauen und Experimente durchführen.
- Kombinierte Sinneserfahrungen: Versuchen Sie, so viele verschiedene Sinne wie möglich anzusprechen.
4. Das individuelle Lerntempo respektieren
Jeder Mensch hat sein eigenes Lerntempo, was eine der größten Herausforderungen im Bildungsbereich darstellt. Wenn Schülerinnen und Schüler zu schnell gefordert oder unter Druck gesetzt werden, können sie Schwierigkeiten haben, den Lernstoff zu verarbeiten. Gleichzeitig kann ein zu langsames Lerntempo jedoch auch dazu führen, dass Schülerinnen und Schüler sich unterfordert fühlen.
Die Herausforderung liegt darin, das richtige Gleichgewicht zu finden, damit jedes Kind in seinem eigenen Tempo lernen kann, ohne sich über- oder unterfordert zu fühlen.
Praktischer Ansatz für den Unterricht:
Die Anpassung des Unterrichts an das individuelle Lerntempo erfordert einen flexiblen, differenzierten Ansatz, der jedem Lernenden ermöglicht, in seiner eigenen Geschwindigkeit zu wachsen. Hier einige praktische Methoden, wie dies umgesetzt werden kann:
- Differenzierte Aufgaben
Bieten Sie Aufgaben in verschiedenen Schwierigkeitsgraden an. Dies ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, ihre Fähigkeiten zu testen und in ihrem eigenen Tempo zu wachsen. Dieses Vorgehen verhindert Frustration und fördert das Selbstvertrauen. - Flexible Lernpfade
Geben Sie den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, den Lernstoff nach ihren Interessen und Fähigkeiten zu vertiefen. Anstatt alle gleichzeitig durch denselben Stoff zu führen, könnte man verschiedene Projekte anbieten, die es den Lernenden ermöglichen, Themen nach ihrer eigenen Geschwindigkeit und Vorliebe zu bearbeiten.
5. Die Bedeutung von Pausen und Bewegung
Das Gehirn arbeitet zwar kontinuierlich, wenn es mit neuen Informationen konfrontiert wird, aber es hat doch seine Grenzen. Ohne regelmäßige Pausen sinkt die Konzentrationsfähigkeit, und die Fähigkeit zur Informationsverarbeitung nimmt ab. Die Forschung hat gezeigt, dass das Gehirn nicht darauf ausgelegt ist, stundenlang ohne Unterbrechung in voller Intensität zu arbeiten. Ein kontinuierlicher Lernprozess ohne Erholung kann zu geistiger Ermüdung führen und die Gedächtnisleistung negativ beeinflussen.
Bewegungspausen können hierbei besonders wirksam sein. Kurze körperliche Aktivitäten steigern den Blutfluss und fördern die Sauerstoffversorgung des Gehirns, was zu einer besseren kognitiven Leistungsfähigkeit führt. Pausen sind also nicht nur Erholungsphasen, sondern essenzielle Bausteine für effizientes und erfolgreiches Lernen.
Praktischer Ansatz für den Unterricht:
Um Pausen und Bewegung in den Unterricht zu integrieren, ist es wichtig, regelmäßige Unterbrechungen einzuplanen, die den Schülerinnen und Schülern sowohl Erholung als auch etwas körperliche Bewegung bieten.
- „Brain Breaks“
„Brain Breaks“ sind kurze, gezielte Pausen, die den Schülerinnen und Schülern helfen, ihre geistige Frische wiederzuerlangen. Sie können auch als kleine Spielaktivitäten durchgeführt werden. - Lange Unterrichtseinheiten aufteilen
Wenn längere Unterrichtseinheiten erforderlich sind, sollten sie in Blöcke unterteilt werden, in denen zwischen den Lernphasen regelmäßige Bewegungspausen eingebaut sind.
Fazit
Indem wir die Emotionen, Wiederholungen, multisensorisches Lernen und das individuelle Lerntempo unserer Schülerinnen und Schüler berücksichtigen, schaffen wir eine Umgebung, in der Schülerinnen und Schüler nicht nur leichter, sondern auch effizienter und gesünder lernen.
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