Vor- und Nachteile des Lehrerraumprinzips
In der überwiegenden Zahl deutscher Schulen herrscht das Klassenraumprinzip:
Jede Klasse hat ihren eigenen Unterrichtsraum, den sie selbst gestalten darf und in den kleinen Pausen als Aufenthaltsraum nutzt.
Im Folgenden möchten wir Ihnen mit dem Lehrerraumprinzip eine Alternative dazu vorstellen:
Gast oder Gastgeber?
Im Idealfall müssen Schülerinnen und Schuler beim Klassenraumprinzip den Raum nur für den Unterricht in naturwissenschaftlichen Fächern, Sport, Kunst und Musik verlassen, da hier Fachräume mit speziellem Equipment benötigt werden.
Als Lehrerin bzw. Lehrer sind Sie hier sozusagen ein Gast.
Nach den Stunden ist für Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen Wandern angesagt: Von der 7a im Erdgeschoss ins Lehrerzimmer, dann in die 10c im ersten Stock, von dort wieder zurück ins Lehrerzimmer, um ein Arbeitsblatt zu kopieren, das für den Unterricht im Musiksaal im Nebengebäude gebraucht wird und so weiter.
Die Bewegung an sich wäre ja nicht so schlecht, gäbe es keinen Zeitdruck und schwere Taschen. So gestaltet sich die Zeit zwischen den Stunden, die sich Pause nennt, aber meist hektisch bis stressig.
In anderen Ländern, wie z.B. den USA, England oder Frankreich, wird überwiegend das umgekehrte Konzept praktiziert: das Lehrerraumprinzip (hierzulande auch als Lehrerraumsystem oder Lehrerunterrichtszimmer bezeichnet – vielleicht u.a. wegen der netten Abkürzung „Luzi“).
Hier sind Sie Gastgeber und die Schülerinnen und Schüler wechseln nach dem Unterricht das Zimmer. Auch in Deutschland ist das Lehrerraumprinzip an weiterführenden Schulen im Kommen und wird an vielen Schulen besonders im Hinblick auf das Thema „Lehrergesundheit“ und einer Verbesserung der Unterrichtsqualität diskutiert.
Lehrerinnen und Lehrer, die einmal ihr eigenes „Luzi“ hatten, möchten in den seltensten Fällen wieder zum Klassenraumprinzip zurück – vorausgesetzt der Wechsel war organisatorisch und pädagogisch gut durchdacht.
Im Folgenden möchten wir Ihnen Tipps zur Vorbereitung eines Wechsels sowie die Vor- und Nachteile des Lehrerraumprinzips vorstellen.
Checkliste: Lehrerraumprinzip
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Planungszeit:
Planen Sie genügend Vorlaufzeit ein. Um alle Punkte abzuarbeiten, sollten Sie sich mindestens ein halbes Schuljahr für die Vorbereitung auf einen Wechsel Zeit nehmen. Einige Schulen starten zunächst mit einer Testphase, in der das neue System z. B. zwischen den Oster- und Sommerferien erprobt wird. -
Recherche:
Gibt es in Ihrer Nähe bereits eine Schule, die das Lehrerraumprinzip umsetzt? Falls ja, sollten Sie das unbedingt nutzen, um sich bei den Lehrerinnen und Lehrern dieser Schule nach den Erfahrungen zu erkundigen.
Oder Sie besuchen die Schule gemeinsam mit Eltern- und Schüler/innenvertretern und -vertreterinnen, damit Sie sich ein direktes Bild von den „Luzis“ machen können. Viele Schulen haben ihre Erfahrungen mit dem neuen System im Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. -
Raumplan:
Wie viele Unterrichtsräume könnten als „Luzi“ genutzt werden? Wie viele Fachräume stehen zur Verfügung? Da es kaum Schulen mit genügend Zimmern für jede Lehrkraft gibt, wird das Lehrerraumprinzip selten kanonisch umgesetzt.
Teilzeitkräfte und Lehrerinnen und Lehrer, die in Fachräumen unterrichten, teilen sich häufig Räume. Wichtig ist nur, dass die „Luzi-Teams“ gut harmonieren und sich bei der Raumgestaltung und –nutzung nicht ständig in die Quere kommen.
Ist diese Teambildung auch in organisatorischer Hinsicht gut durchdacht, werden sogar weniger Räume benötigt als mit dem Klassenraumprinzip, da die Auslastung verbessert wird.
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Überzeugungsarbeit:
Die Keimzelle eines Wechsels zum Lehrerraumprinzip sind häufig Projektgruppen. Ist dort die Stimmung für das neue Konzept positiv, sollte die Schulleitung, das Kollegium und der Schulträger mit an Bord geholt werden. Unsere Liste der Vor- und Nachteile können Sie gerne als Grundlage für eine Vorstellung des Lehrerraumprinzips nutzen.
Genauso wichtig ist die Miteinbeziehung und Unterstützung des neuen Konzepts durch Schülerinnen und Schüler und deren Eltern. Häufig wird eine „Probezeit“ von einem oder zwei Jahren vereinbart, während der die Zufriedenheit mit dem Konzept evaluiert wird. Das Feedback wird dabei von allen betroffenen Gruppen, also Lehrkräften, Eltern und Schülerinnen und Schüler eingeholt. Nach Ablauf dieser Zeit kann so eine begründete Entscheidung für oder gegen das Lehrerraumprinzip getroffen werden. -
Transparenz:
Gut kommuniziert ist halb umgesetzt! Protokollieren Sie Besprechungsergebnisse und Beschlüsse. Am besten werden diese in einer einsehbaren Akte gesammelt, die den Prozess für alle nachvollziehbar macht. -
Anlaufschwierigkeiten überwinden:
Kurz nach der Umstellung kann es zu Startschwierigkeiten und kleineren Pannen kommen. Das ist normal. Auch die Ausstattung der Räume mit Aufbewahrungsmöglichkeiten, fachspezifischem Material und technischen Geräten ist anfangs wahrscheinlich noch nicht perfekt. Deshalb macht eine Probezeit von weniger als einem Jahr wenig Sinn.
Danach sollte sich langsam alles eingespielt haben – sonst gibt es ja auch noch den Weg zurück zum Klassenraumprinzip.
Mögliche Nachteile des Lehrerraumprinzips
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Schülerwanderungen:
Skeptiker geben häufig zu bedenken, es sei doch einfacher, 70 Lehrer die Klassenzimmer wechseln zu lassen als 1000 Schüler. Das klingt erstmal einleuchtend. Allerdings wandern die Schülerinnen und Schüler auch im Klassenraumprinzip zu bestimmten Fachräumen.
Durch eine Umstellung auf doppelstündigen Unterricht klappt die Schülerbewegung selbst in großen Schulen – vorausgesetzt es handelt sich nicht um einen Altbau mit sehr schmalen Gängen (dann hilft nur noch „Rechtsverkehr“).
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„Heimatlose“ Klassen:
Was Ihr Vorteil ist, ist der Nachteil der Schülerinnen und Schüler: Sie haben nun keinen Klassenraum mehr, den sie gestalten und zu ihrem eigenen machen können.
Das Dekorations-Problem betrifft aber eher den Wunsch, Wände mit Bandpostern zu dekorieren. Plakate, die in den Fächern gestaltet werden, können nun natürlich in den „Luzis“ aufgehängt werden. Außerdem haben die Klassenlehrerinnen und –lehrer eigene Räume und damit auch die Klassen selbst.
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Zeitnot:
Durch den Raumwechsel bleibt weniger Zeit für die Pausen. Besonders die Jüngeren haben vielleicht anfangs Probleme, die Hausi aufzuschreiben, einzupacken, nichts zu vergessen und den richtigen Raum zu finden. Auch aus diesem und dem zuvor genannten Grund wird das Lehrerraumprinzip nur selten an Volksschulen umgesetzt.
Weiterführende Schulen behalten für die fünften Klassen häufig noch das Klassenraumprinzip bei. Aber auch unorganisierte Fünftklässler schaffen es, sich mit etwas Anlaufzeit auf die neue Aufgabe einzustellen. Auch hier helfen Doppelstunden und möglichst wenig unterschiedliche Lehrkräfte (= weniger Raumwechsel).
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Schulranzen:
Wenn das Zimmer einer anderen Lehrkraft aufgesucht wird, müssen die Schülerinnen und Schüler samt ihren Taschen den Raum wechseln. Das bedeutet, sie haben ihre Schulranzen und andere Habseligkeiten auch während der Pausen bei sich. Das Problem besteht v.a. in längeren Pausen, in denen die Schülerinnen und Schüler nicht sofort ins nächste „Luzi“ wechseln, sondern die Lehrerräume verlassen sollen.
Manche Schulen kaufen oder mieten deshalb Spinde, in die persönliche Dinge eingeschlossen werden können oder stellen den Schülerinnen und Schülern Aufenthaltsräume zur Verfügung. Andere Schulen haben die Regel, dass die Kinder die Schulsachen bereits vor der Pause im nächsten Raum deponieren.
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Möbelgrößen:
Durchschnittlich misst ein 11-jähriger Schüler knapp 1,50 m, mit 18 Jahren sind Jungs um die 1,80 m und Mädchen etwa 1,60 bis 1,70 m groß. Einheitlich hohe Stühle werden diesen Größenunterschieden nicht gerecht, besonders wenn immer mehr Schüler ganztags unterrichtet werden und den Tag dabei größtenteils im Sitzen verbringen. Möchte Ihre Schule deshalb Tische und Stühle in den jeweils passenden Größen bereitstellen, kann das in Lehrerräumen nur durch höhenverstellbare Stühle und Tische realisiert werden.
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Komplexe Stundenplangestaltung:
Um das Beste aus dem Lehrerraumprinzip herauszuholen (Raumauslastung, Doppelstunden, möglichst kurze Wege), muss mehr Arbeit in die Vorbereitung der Stundenpläne gesteckt werden.
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Verwaistes Lehrerzimmer:
Die eigenen Räume führen dazu, dass das Lehrerzimmer seltener aufgesucht wird. Kaffee- und Teequellen im Lehrerzimmer sowie das Kopiergerät verhindern aber eine komplette „Desertifikation“ ;-)
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Nachteile für Kinder mit Behinderungen
Ein Wechsel des Raums kann sich z. B. für hörgeschädigte Kinder nachteilig auswirken, wenn nur ein Raum mit unterstützenden Mitteln wie schalldämmenden Decken, Mikrophonen und Lautsprechern ausgestattet werden kann.
Vorteile des Lehrerraumprinzips
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Sauberkeit:
Die Schülerinnen und Schüler sind nun bei Ihnen Gast und behandeln die Räume pfleglicher – möglicherweise nicht nur eine Folge von Höflichkeit, sondern auch Ihrer Anwesenheit …
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Gestaltungshoheit:
Die Raumgestaltung liegt nun ganz in Ihrer Verantwortung. Sie haben die Möglichkeit, das Zimmer fachspezifisch mit Schülerarbeiten, Plakaten oder einer Lese-Ecke zu gestalten. Sogar Pflanzen haben nun eine Überlebenschance!
Wetteifern Sie ruhig mit den Kolleginnen und Kollegen um das schönste Zimmer – die Wohlfühlatmosphäre kommt nicht zuletzt der Unterrichtsqualität zugute. Auch Ihre bevorzugte Tischordnung wird nicht immer wieder verschoben und Tafelaufschriebe können mal stehenbleiben.
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Weniger Vandalismus, Mobbing und Gewalt:
Da die „Luzis“ in der Regel unter Lehreraufsicht stehen, kommt es kaum noch zu Beschädigungen von Einrichtung und Deko. Die Räume können sogar mit teureren Geräten wie Beamern (sofern das Budget vorhanden ist) ausgestattet werden. Gleichzeitig nehmen Fälle von Streitereien, Mobbing und Gewalt ab, da nun auch in den kleinen Pausen eine Aufsichtsperon im Raum ist.
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Mehr Lagerplatz:
Die Zeiten, als sich Bücher, Schülerarbeiten und anderer Kram auf Ihrem Platz im Lehrerzimmer gestapelt haben, sind vorbei. Alles, was für den Unterricht gebraucht wird, findet nun in Regalen und Schränken im eigenen Raum Platz und die Schlepperei entfällt. Damit auch die Schülerinnen uns Schüler nicht zu schwer tragen müssen, können Bücher, die v.a. im Unterricht genutzt werden, wie Atlanten, Duden oder Wörterbücher, im „Luzi“ gelagert werden.
Manche Schulen stellen v.a. für die unteren Stufen Präsenzexemplare der Lehrbüchern bereit, die nicht extra mitgebracht werden müssen. So wird die Schultasche sogar leichter, nicht schwerer :)
Und endlich gibt es Aufbewahrungsmöglichkeiten für die Freiarbeitsmaterialien!
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Mehr Unterrichtszeit:
Statt oft mit dem Umweg übers Lehrerzimmer von Raum zu Raum zu wandern, können Sie die Pausen jetzt nutzen, um den Unterricht vorzubereiten (Material bereitlegen, Beamer startklar machen, Tafelbild erstellen …). Da der Raum bereits offen ist, sind auch die Schülerinnen und Schüler schneller auf ihren Plätzen und der Unterricht kann pünktlich starten. -
Ruhiger Arbeitsplatz:
Findet gerade kein Unterricht statt, dient das „Luzi“ in Freistunden, Mittagspausen oder nach Schulschluss als Büro. Anders als im oft betriebsamen Lehrerzimmer ist hier auch konzentriertes Arbeiten möglich und wer mag, muss nur noch wenig Arbeit mit nach Hause nehmen. -
Offene Räume:
Die Schülerinnen und Schüler wissen, wo sie Sie finden und können die Pausen nutzen, um kurze Fragen oder Anliegen mit Ihnen zu klären. -
Automatisch „Bewegte Pausen“ :)
Unser Fazit
Lehrerräume scheinen in erster Linie die Arbeitsbedingungen von Lehrerinnen und Lehrern zu verbessern. Tun sie auch. Sind Sie aber weniger gestresst und fühlen sich wohler, ist eine Verbesserung der Unterrichtsqualität nur eine logische Konsequenz. Wichtig ist es, Vorkehrungen durch Präsenzexemplare, Schließfächer und gut organisierte Abläufe zu schaffen, die verhindern, dass die Kinder ständig schwere Taschen tragen müssen und keine Zeit für Pausen bleibt.
Zudem profitieren die Schülerinnen und Schüler von den fachspezifisch besser ausgestatteten Räumen, die zu spezialisierten Lernräumen werden. Deshalb ist es durchaus einer Überlegung wert, das Wandererleben den Klassen zu überlassen und dem eigenen „Lehrkörper“ ein sesshaftes Leben zu gönnen ;-)
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