Burn-out im Lehrerberuf - Wenn Überlastung zur Krankheit wird
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Wer für seinen Beruf brennt, kann ausbrennen, wenn er nicht auf sich achtet: Lehrerinnen und Lehrer haben im Vergleich zu vielen anderen Berufsgruppen ein erhöhtes Risiko, eine Burn-out-Symptomatik zu entwickeln. Welche präventiven Maßnahmen sind möglich, bin ich gefährdet und an wen kann ich mich dann wenden? Das und mehr erfahren Sie hier:
Stress im Beruf kennt wahrscheinlich jeder. Warum gelten also gerade Lehrerinnen und Lehrer als besonders gefährdet durch Burn-out?
Die Landesvorsitzende der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) Hessen Maike Wiedwald sagte bei der Vorstellung einer Studie zur Arbeitsbelastung von Lehrkräften am Beispiel von Frankfurt, die Intensität der Arbeit sowie die emotionalen und körperlichen Anforderungen sei an Schulen deutlich höher als in vielen anderen Berufen.
Viele Pädagoginnen und Pädagogen fühlen sich gestresst, erschöpft und ausgebrannt. Ein Faktor hierfür scheinen auch die außerunterrichtlichen Pflichten zu sein: 40% der befragten Lehrkräfte sah für sich die Grenzen außerunterrichtlicher Pflichten überschritten; 63% gaben an, dass sie sich (stark) beansprucht fühlen, weil die Unterrichtsqualität dadurch leide.
Laut einer Auswertung der Krankenkasse Barmer aus dem Jahr 2020 basiert fast ein Viertel der Fehltage von Lehrerinnen und Lehrern auf psychischen Erkrankungen.
Während die Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer u. a. durch Inklusion, Integration, Digitalisierung oder verstärkten erzieherischen Aufgaben zunehmen, haben sich die Pflichtstunden nicht reduziert. Fehlende Fortbildungen zu neuen Aufgaben (z. B. beim Thema digitale Bildung (Link Digibiz)) zwingen Lehrkräfte, sich selbst alles Nötige anzueignen, was Zeit kostet und manche überfordert.
Die Studie zeigte außerdem, dass Lehrerinnen und Lehrer häufiger krank zur Arbeit gehen und viele länger arbeiten, als ihre Soll-Arbeitszeit beträgt. Die ermittelten Burn-out-Werte der teilnehmenden Lehrkräfte waren erwartungsgemäß vergleichsweise hoch.
Ein weiterer Punkt ist die Streuung der Arbeitszeit: Eine vergleichsweise freie Einteilung der Arbeit außerhalb des Unterrichts ist zwar praktisch, erschwert jedoch eine klare Trennung von Beruf und Privatleben. Abschalten und Erholungsphasen sind aber wichtig zur Regeneration. 65% der in der Studie befragten Lehrkräfte gaben an, dass sie sich in der arbeitsfreien Zeit nicht erholen.
Auch der Lehrermangel verstärkt die Belastung einzelner Lehrkräfte: Teilweise werden schon Lehrerinnen und Lehrer direkt nach dem Referendariat zu fachfremdem Unterricht in mehreren Fächern verpflichtet.
All das kann zu Druck und Stress führen. Ist diese Situation zeitlich begrenzt, kann unser Körper damit umgehen – Stress hilft uns sogar, um kurzzeitig mehr Leistung zu bringen, wenn z. B. ein Termin eingehalten werden muss.
Problematisch wird es aber, wenn Stress, Druck und auch Frustration zum Dauerzustand werden und individuelle Stressfaktoren (z. B. mangelnde Erfahrung, hoher Anspruch an sich, angegriffener Gesundheitszustand, persönliche Probleme) hinzukommen. Ständige Überlastung führt zu Überforderung und kann in anhaltende Erschöpfung und Antriebslosigkeit münden und zu einem Burn-out führen.
Bin ich Burn-out-gefährdet?
Nadia Sosnowsky-Waschek, Professorin an der Hochschule Heidelberg, forscht zu Burn-out und hat festgestellt, dass schon etwa 30% der Referendarinnen und Referendare Anzeichen für ein Burn-out bzw. eine Gefährdung zeigen. Als Indikatoren nennt sie gegenüber dem Deutschlandfunk vier Fragen zu wichtigen Stressbewältigungskompetenzen:
- Wie gut kann ich mich in meiner Freizeit entspannen?
- Gelingt es mir, meinen Arbeitsalltag gut zu organisieren?
- Kann ich gut mit schwierigen Schülern, Kollegen und anspruchsvollen Eltern umgehen?
- Schaffe ich es, mich gedanklich von der Arbeit zu distanzieren?
Wie erkenne ich Burn-out?
Als wichtige Symptome eines Burn-outs gelten:
- Müdigkeit, Energielosigkeit, körperliche, geistige und emotionale Erschöpfung
- Eine mentale Distanz und negative bis zynische Gefühle gegenüber dem Beruf und was damit zu tun hat
- Eine eingeschränkte Konzentrations- und Leistungsfähigkeit
- Viele Betroffene ziehen sich immer mehr aus dem Freundeskreis zurück, sind gegenüber der Familie und dem Partner distanziert und vernachlässigen Hobbys. Die Freude an Unternehmungen geht verloren und eine innere Leere kann sich ausbreiten.
Die Anzeichen, die physischer und psychischer Natur sein und sich auch auf das Sozialverhalten auswirken können, treten aber selten plötzlich auf, sondern steigern sich langsam. Deswegen können sie leicht übersehen oder nicht miteinander in Verbindung gebracht werden. Wer häufig gereizt und müde ist, denkt vielleicht nicht sofort an ein beginnendes Burn-out.
Im Netz finden Sie Selbsttests, die über eine Tendenz zum Burn-out informieren. Einen Arztbesuch ersetzen diese natürlich nicht.
Was tun bei Burn-out?
Wenn Sie vermuten, dass Sie an einem Burn-out leiden oder sich als davon gefährdet einschätzen, ist ein erster wichtiger Schritt getan: Sie haben sich Ihre Überlastung eingestanden.
Als erster Ansprechpartner kann Ihnen Ihr Hausarzt weiterhelfen. Bei körperlichen Symptomen müssen zunächst physische Ursachen ausgeschlossen werden. Ist das geschehen, kann er Ihnen Spezialisten empfehlen. Bei diesen handelt es sich in der Regel um Psychologen, Psychotherapeuten oder Psychiater. In Gesprächen und oft mithilfe von Fragebögen wird die Diagnose und eine passende Therapie ermittelt. Die Behandlung kann, je nach Schwere der Beschwerden, ambulant oder in einer Klinik erfolgen.
Hier werden Ihnen Strategien zum Umgang mit Belastungen und Konflikten sowie zur Stressbewältigung an die Hand gegeben. Sie arbeiten an Ihrem Selbstbewusstsein und lernen, sich selbst besser einzuschätzen und sich zu behaupten.
Burn-out-Prävention
Diese vorbeugenden Maßnahmen helfen Ihnen, das Burn-out-Risiko zu senken:
- Methoden zur Stressbewältigung lernen:
Das Erlernen eines Achtsamkeitstrainings wie MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction), autogenes Training oder progressive Muskelentspannung kann Ihnen helfen, sich in stressigen Momenten zu entspannen. Zielführend wäre es nach Sosnowsky-Waschek, wenn Lehrerinnen und Lehrer, professionell unterstützt, lernen würden, wie sie mit negativen Gefühlen und Gedanken, Konflikten und Problemen umgehen können. - Erwartungshaltung überprüfen:
Sind die Ziele vielleicht zu hoch gesteckt? Es muss nicht alles perfekt sein! Setzen Sie sich stattdessen kleinere Ziele und erlauben Sie sich, diese Erfolge anzuerkennen.
Und: Auch Lehrer machen Fehler – kein Grund an sich zu zweifeln. - Zeitmanagement optimieren:
Wichtig ist, dass zuvor zu hohe Arbeitspensum herabzusetzen. Im Lehrerberuf gibt es viele Zeitfresser. Wie Sie diese aufspüren und Zeit sparen können, erfahren Sie hier. Helfen können auch Kolleginnen und Kollegen: Nicht jeder muss das Rad neu erfinden. - Soziale Kontakte pflegen:
Ein stabiles Beziehungsnetz mit Freunden und Familie kann Ihnen Halt geben und schafft einen Ausgleich zum Beruf. - Erholungspausen einplanen: Wenn es Ihnen schwerfällt, tragen Sie diese wie Termine in den Kalender ein. Auch kleine Entspannungsrituale wie den „5-Uhr-Tee“, das Hörbuch in der Mittagspause oder eine Folge der Lieblingsserie nach dem Heimkommen helfen beim Abschalten.
An vielen Schulen ist es schwierig, einen ruhigen Platz zum Entspannen zu finden. Spezielle Ruhe- und Rückzugsräume für Lehrkräfte könnten hier Abhilfe schaffen. - Schule und Privatleben zu Hause räumlich trennen:
Wer kein separates Arbeitszimmer hat, richtet sich eine kleine Nische in einem Raum ein – am besten abgeschirmt durch Paravents oder Raumteiler. Das Motto „Aus den Augen aus dem Sinn“ ist hier eindeutig positiv besetzt :) - Auf die eigene Gesundheit achten:
Der Effekt einer gesunden Ernährung, Bewegung, ausreichend trinken und schlafen sollte nicht unterschätzt werden.
Häufig gestellte Fragen zum Thema "Burnout"
Was ist Burn-out?
Burn-out wird häufig als Erschöpfungszustand beschrieben, eine einheitliche Definition existiert nicht. Durch die WHO wird Burn-out auch in der neuen ICD-11 (ab 2022 gültig) nicht als Krankheit gelistet. Es wird als Syndrom beschrieben, das aufgrund von unbewältigtem chronischen Stress am Arbeitsplatz auftreten kann und sich v. a. durch Gefühle von Energieschwund und Erschöpfung, mentale Distanz und negative Gefühle gegenüber dem Beruf sowie eine eingeschränkte professionelle Effizienz auszeichnet.
Warum ist Burn-out keine Krankheit?
Burn-out wird durch die WHO als gesundheitsbeeinflussender Faktor bzw. Risikofaktor für körperliche (z. B. Herz- und Kreislaufstörungen) und psychische Krankheiten (z. B. Depressionen, Abhängigkeitserkrankungen) gesehen, nicht diese Erkrankungen als Symptome eines Burn-outs.
Warum sind Lehrer besonders Burn-out-gefährdet?
In einer im Herbst 2020 veröffentlichten Studie der GEW Hessen unter rund 4500 Lehrkräften verschiedener Schulformen in Frankfurt zeigten sich folgende Faktoren, die Burn-out-Werte negativ beeinflussen können:
- Starke Streuung der Arbeitszeit -> keine klare Trennung von Privatleben und Beruf
- Außerunterrichtliche Verpflichtungen nehmen kontinuierlich zu
- 53% leisten regelmäßig Mehrarbeit
- Lehrkräfte gehen häufiger krank zur Arbeit
- Keine oder verkürzte Erholungspausen
- Fehlende Anerkennung
Depression oder Burn-out?
Die Abgrenzung zur Depression, Angststörung oder psychosomatischen Störung ist nicht einfach. Die Betroffenen selbst sehen ein Burn-out oft als Folge einer Überlastung im beruflichen oder privaten Bereich, während z. B. eine Depression eher als unspezifisch in der Ursache gilt. Im Gegensatz zu den genannten psychischen Krankheiten ist ein Burn-out gesellschaftlich weit weniger negativ besetzt. Betroffenen fällt es deshalb oft leichter, sich aufgrund eines Burn-outs in Behandlung zu begeben.
Wo finde ich weitere Informationen und Hilfe?
Quellen:
- WHO ICD-11
- Quarks: Darum ist Burnout keine Krankheit
- Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Georg-August-Universität Göttingen: Arbeitszeit und Arbeitsbelastung von Lehrkräften an Frankfurter Schulen 2020
- Neurologen und Psychiater im Netz: Was ist Burnout
- Deutschlandfunk: Burnout bei Lehrkräften
- Apotheken Umschau: Burnout
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