ADHS in der Schule: Herausforderungen und Lösungsansätze
ADHS hat nicht nur Auswirkungen auf das alltägliche Leben, sondern auch auf den Schulalltag von betroffenen Kindern und Jugendlichen. Lehrerinnen und Lehrer stehen hierbei oft vor großen Herausforderungen, um den Schülerinnen und Schülern die Unterstützung zu bieten, die sie benötigen.
Doch wie kann man als Lehrerin oder Lehrer effektiv mit ADHS umgehen und den Unterricht so gestalten, dass betroffene Schülerinnen und Schüler genauso wie alle anderen Kinder optimal gefördert werden?
Im Interview gibt Dr. Johannes Streif, stellvertretender Vorsitzender ADHS Deutschland e.V., wertvolle Informationen und zeigt auf, wie Lehrerinnen und Lehrer einen positiven Einfluss auf das Lernverhalten von Kindern mit ADHS nehmen können.
Als gemeinnütziger Verein setzt sich ADHS Deutschland e.V. als größte Selbsthilfeorganisation mit seinen ehrenamtlich arbeitenden Mitgliedern auf Bundes-, Landes- und regionaler Ebene für Menschen mit ADHS ein.
ADHS Deutschland e.V. bietet eine Vielzahl von Angeboten und Unterstützung für Menschen mit ADHS und ihre Familien. Dazu gehören Selbsthilfegruppen, die sich vor Ort wie auch virtuell treffen. Der Verein organisiert regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen für Betroffene, Angehörige und Fachkräfte.
Auf der Website des ADHS Deutschland e.V. finden Sie umfangreiche Informationen über ADHS, Begleitstörungen und andere relevanten Themen. Empfehlenswert ist auch der Facebook-Kanal, der über aktuelle Entwicklungen und Angebote informiert.
Obwohl ADHS heute in aller Munde ist, haben viele nur eine grobe Vorstellung davon, was es genau bedeutet und warum es auftritt. Deshalb zunächst eine grundlegende Frage: Was versteht man unter ADHS?
Unter ADHS versteht man die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, wie das Störungsbild in der aktuellen Fassung der ICD-11 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) genannt wird.
Will man das Störungsbild beschreiben, müsste man es als Verhaltenshemmungsstörung kategorisieren, die durch Probleme der sekundären Verhaltenshemmung im präfrontalen Cortex bedingt ist. Die Entstehung des Problems ist komplex. In der Konsequenz zeigen sich aber Schwierigkeiten in diesen drei Bereichen:
- Die Impulsivität kommt in der Bezeichnung zwar nicht vor, ist aber im Grunde die Kernsymptomatik.
- Davon abgeleitet die Hyperaktivität, also ein für das Alter überdurchschnittlich hohes Maß an Aktivität.
- Und die Unaufmerksamkeit, bei der es sich nicht um eine generelle Aufmerksamkeitsstörung handelt, sondern um eine problematisch leichte Ablenkbarkeit. Ursache ist eine unzureichende sekundäre Verhaltenshemmung, die dazu führt, dass sich immer die stärksten Reize durchsetzen und die Aufmerksamkeit der betroffenen Menschen von dem abgezogen wird, was sie gerade tun oder tun sollten.
Worin besteht der Unterschied zwischen ADHS und ADS?
Offiziell gibt es nur ADHS. Die ICD-11 beschreibt jedoch einen Typus, der dominant impulsiv-hyperaktiv ist, und einen Typus, der dominant aufmerksamkeitsgestört ist.
Auf neurophysiologischer Ebene besteht der Unterschied darin, dass ADS-Betroffene weniger natürliche Bewegungsimpulse haben, die gehemmt werden müssen.
Grundlegend ist es dasselbe Störungsbild, nur dass diese Menschen nicht als hyperaktiv erscheinen. Die Ablenkbarkeit und Impulsivität sind aber genauso vorhanden wie bei Menschen mit ADHS.
Bedeutet das, dass Kinder mit ADS oft erst später diagnostiziert werden?
Genau. Die meisten Kinder mit ADHS neigen zu externalisierendem, d. h. nach außen gerichtetem, Verhalten. Sie können schnell laut, wütend und aggressiv werden, während Kinder mit ADS, bei denen der Anteil der Mädchen etwas höher ist, eher zu internalisierendem Verhalten neigen.
Die Impulsivität führt bei ihnen eher zur Verweigerung von Handlungen, zum Abbruch der Kommunikation und zum Rückzug. Im Klassenverband fällt dieses Verhalten meist weniger auf, wodurch ADS häufig später erkannt wird.
Was sind typische Anzeichen für die ADHS, die in der Schule auffallen können?
Am auffälligsten ist sicherlich die Aufmerksamkeitsstörung. Die Kinder sind sehr leicht durch Geräusche und visuelle Reize ablenkbar. Durch die Ablenkung werden häufig Gedankengänge unterbrochen, sodass eine hohe Vergesslichkeit und Probleme in der Selbstorganisation auffallen.
Es zeigen sich auch Schwierigkeiten in der Selbstmotivation: Oftmals freuen sich diese Kinder zunächst sehr auf viele Aktivitäten und fangen begeistert an, doch nach 10 Minuten ist die Motivation weg. Manchmal, weil sie feststellen, dass eine Aufgabe umfangreicher und schwieriger ist als zunächst gedacht, manchmal, weil die Tätigkeit die betroffenen Kinder bereits nach wenigen Minuten langweilt.
Ganz typisch ist die eingeschränkte Fähigkeit, Aufgaben und graphische Elemente in ihre Bestandteile zu zerlegen und die Inhalte zu rekombinieren. Russell Barkley beschrieb diese Symptomatik bereits vor fast 30 Jahren in seinem Buch „ADHD and the Nature of Self-Control“. Im Unterricht macht sich dieser Aspekt beispielsweise bemerkbar, wenn ein Kind mit ADHS in einer Arbeit an einer Aufgabe sitzt und es nicht schafft, zur nächsten überzugehen, solange die erste nicht gelöst ist. Erst ganz zum Schluss versucht es panisch, die anderen Aufgaben noch zu lösen.
Kinder mit ADHS haben auch Schwierigkeiten, von internalisierten Handlungsabfolgen abzuweichen oder neue Elemente einzufügen, wenn sie es beispielsweise gewöhnt sind, dass montags in der ersten Stunde Mathe ist, dann Deutsch, dann Sachkunde, und es muss nun eine Stunde ausfallen oder verschoben werden, so werden die automatisierten Abläufe durchbrochen. ADHS-Betroffene haben häufig das Problem, sich auf solche Veränderungen einzustellen, sie in ihren Tagesplan einzubeziehen und sich wieder in die vorgegebene Tagesstruktur einzufügen, selbst wenn sie diese Struktur schon lange kennen und befolgen.
Im Bereich der Hyperaktivität zeigt sich eine große motorische Unruhe, die gerade auch dann nicht stoppt, wenn die Kinder auf eine Sache fokussiert sind. Sie verwenden dann all ihre Aufmerksamkeit für die Sache, mit der sie befasst sind. Demgegenüber lässt die Selbstaufmerksamkeit für das eigene Verhalten nach, die Bewegungsimpulse werden nicht gehemmt, sondern unbewusst in beständige Bewegung umgesetzt.
Kindern mit ausgeprägter Hyperaktivität hilft ein schwerer Tisch und ein Stuhl, mit dem sie nicht kippeln oder umfallen können. Im Grunde wie die früheren Schulbänke, bei denen Tisch und Sitzbank miteinander verbunden waren, auf denen man sich also bewegen konnte, ohne sie umwerfen zu können. So können sich die Kinder unwillkürlich bewegen und wechselnde Sitzpositionen einnehmen. Zugleich können sie ihre Aufmerksamkeit auf die eigentlichen Unterrichtsaufgaben richten. Werden sie hingegen ständig aufgefordert, still zu sitzen, um andere nicht zu stören, müssen sie die meiste Energie dafür aufwenden, ihr Verhalten zu kontrollieren, und der Fokus auf die eigentliche Aufgabe geht verloren.
Typisch für Hyperaktivität und Impulsivität ist auch, dass von der ADHS betroffene Kinder dieses Verhalten selbst dann zeigen, wenn sie wissen, dass sie es nicht zeigen sollen, dass es in einer bestimmten Situation unangemessen ist und ihnen Sanktionen drohen. Schülerinnen und Schüler mit ADHS können ihr Verhalten in vielen Situationen nicht kontrollieren und zeigen es daher auch, wenn die zu erwartenden Konsequenzen zu ihrem eigenen Nachteil sind. Das ist ein großer Unterschied zu Kindern mit Sozialverhaltensproblemen, die ihr Verhalten, sind sie nicht zugleich von der ADHS betroffen, bewusst zeigen und ggf. auch kontrollieren können, wenn die zu erwartenden Sanktionen oder eine absehbare Strafe hinreichend abschreckend sind.
Die Impulsivität zeigt sich im Schulalltag auch darin, dass ADHS-Kinder reinreden, obwohl sie eigentlich wissen, dass sie sich melden sollen.
Im Klassenverband fällt oft auch eine leichte Erregbarkeit auf. Sie sind schnell auf 180 und benötigen mehr Zeit, um sich wieder zu beruhigen. Wird ein ADHS-Kind später nochmals mit dem eigenen Problemverhalten konfrontiert, gerät es schnell wieder in einen erregten Zustand, sieht sich mit dem Rücken zur Wand und verfällt sogleich wieder in eine Abwehr- und Verteidigungshaltung. Deshalb funktionieren Techniken, wie die Familienkonferenz nach Gordon, bei ADHS-Kindern weniger gut.
In welchem Alter zeigt sich ADHS und wann wird es diagnostiziert?
Da es sich um eine neurophysiologisch bedingte Problematik handelt, gehen wir davon aus, dass sich die ADHS von Anfang an zeigt. Die Symptome können aber meist erst im Rückblick als solche diagnostiziert werden, da jedes für sich ein Verhalten beschreibt, das auch nicht von der ADHS betroffene Kinder im Alltag zeigen. Wichtig ist allerdings auch, dass nicht alles, wie z. B. häufiges Schreien, große Bewegungsfreude, Regulationsprobleme beim Füttern oder Selbstberuhigungsproblematiken, sofort als pathologisch angesehen werden muss. Dass ADHS oft erst im Kindergarten oder Schulverband bemerkt wird, liegt daran, dass es in der Familie eine größere Toleranz gibt oder auch Unsicherheit, ob das Verhalten außerhalb der Norm liegt.
Im Unterricht wird dann eine ganze Reihe von Dingen verlangt, die ADHS-Kindern schwerfallen: Sie sollen sich nun über einen längeren Zeitraum konzentrieren, ruhig sitzen, sich zurücknehmen. Anders als im Kindergarten, wo impulsives Verhalten im Spiel noch mehr toleriert wurde und die Kinder schwierigen Situationen noch besser ausweichen konnten. Deshalb wird die Thematik oft erst in der Schulsituation wirklich sichtbar.
Gibt es Angaben, wie viele Kinder betroffen sind?
Ja, wir gehen aufgrund von Feldstudien für Deutschland davon aus, dass etwa 5 bis 7 % der Kinder von der ADHS betroffen sind. Die Zahlen schwanken etwas, weil es immer auch eine Frage ist, wie streng die Diagnosekriterien ausgelegt werden. Die höhere Zahl berücksichtigt auch, dass wir unter den Kindern, die nicht hyperaktiv sind und weniger nach außen gerichtetes Verhalten zeigen, wahrscheinlich einige übersehen.
Diese Zahlen decken sich mit den Ergebnissen von Studien, die weltweit durchgeführt wurden. Ganz allgemein formuliert: Achtet man darauf, ob es Kinder gibt, die aufgrund ihres impulsiven Verhaltens Probleme in der Gemeinschaft haben, dann zeigt sich die Symptomatik in allen Kulturkreisen.
Haben Sie den Eindruck, dass die Anzahl von Kindern mit ADHS zunimmt? Oder werden einfach mehr Fälle diagnostiziert?
Ein erheblicher Teil der Zunahme der Diagnosen hängt sicherlich mit dem Bekanntheitsgrad und einem größeren Bewusstsein für das Störungsbild und die Behandlungsmöglichkeiten bei Eltern und den Kinderärztinnen und -ärzten zusammen.
Es gibt Hinweise darauf, dass die Prävalenz der ADHS in den letzten Jahrzehnten leicht zugenommen hat. Neben der genetischen Disposition, die etwa 70 % ausmacht, wie Zwillingsstudien zeigen konnten, gibt es bei den restlichen 30 % eine gewisse Variabilität. Ein wesentlicher Teil dieser Variabilität ist darauf zurückzuführen, dass v. a. in den ersten Lebensjahren im Rahmen eines evolutionär bedingten Anpassungsprozesses an unsere Umwelt bestimmte Verarbeitungsvoraussetzungen im Gehirn geschaffen werden.
Wenn ich als Kind bis zur Pubertät in einer besonders reizüberfluteten Umgebung aufwachse, wird im Rahmen dieses Anpassungsprozesses das für ADHS verantwortliche dopaminerge System stärker ausgebaut. Dopamin ist ein Botenstoff, der mit seinen Funktionen im Körper u. a. dafür sorgt, dass die Erregungsleitung zum präfrontalen Cortex funktioniert, wo dann die Verhaltenshemmung stattfindet. Anders, als man annehmen könnte, führt ein stärkerer Ausbau des dopaminergen Systems jedoch nicht zu einer grundsätzlich größeren gezielten Aktivität des präfrontalen Cortex. Vielmehr bedingt die große Reizoffenheit und Reizverarbeitungskapazität im Gehirn, dass der einzelne Reiz nicht mehr im gleichen Maße gehemmt werden kann, als dies der Fall wäre, müssten weniger Reize verarbeitet und mit ihnen verbundene Reaktionen gehemmt werden.
Würde das Kind beispielsweise im Dschungel geboren, wo es sehr viele Bedrohungen gibt, die zwischen den Blättern lauern können, braucht es ein Verarbeitungssystem, das es ihm erlaubt, auf sehr viele Reize zu achten. Das geschieht allerdings zu Lasten der Fähigkeit, sich gut auf eine Sache konzentrieren zu können. Steht dieses Kind an der Schwelle zur ADHS, kann eine reizüberflutete Umgebung dazu beitragen, dass sich das entsprechende Verhalten verstärkt. Wächst das Kind in einer ruhigen Umgebung auf, kann das unter Umständen bewirken, dass das dopaminerge System nicht so stark auswächst und sich das Verhalten eher dem von Kindern ohne ADHS annähert.
Wie können Lehrkräfte beim Verdacht auf ADHS bei einem Kind vorgehen und was hilft Kindern mit ADHS im schulischen Umfeld?
Bevor ich mit den Eltern über das Verhalten des Kindes sprechen würde, würde ich lieber etwas machen, das allen Kindern hilft, aber den Kindern mit ADHS ganz besonders: Ich würde versuchen, eine Klassenstruktur zu schaffen, in der es möglichst wenig Ablenkung gibt und in der es relativ ruhig ist. Eigentlich muss man ehrlicherweise sagen, dass der Frontalunterricht mit nach vorne gerichteten Tischreihen für ADHS-Kinder die beste Form des Unterrichts ist, da sie sich so gut auf die Lehrkraft konzentrieren können. An Gruppentischen, die für bestimmte Projekte sicher sinnvoll sind, oder auch bei einer U-förmigen Sitzordnung ist das wegen der vielen Ablenkungen schwieriger.
Auch die Ausstattung des Klassenzimmers sollte möglichst wenig ablenken und das Kind sollte nicht am Fenster sitzen, von wo aus es andere Kinder draußen herumrennen sieht oder vor dem andere spannende Dinge passieren. Mit einer Kombination aus einer ablenkungsarmen Struktur und einem guten Unterrichtsangebot, sind bereits wichtige Voraussetzungen geschaffen.
Wenn die Probleme dennoch nicht in den Griff zu bekommen sind, würde ich mit den Eltern sprechen. Ich würde sie fragen, ob sie selbst schon einmal daran gedacht haben, dass dem Verhalten etwas in der Konstitution des Kindes zugrunde liegen könnte, wie z. B. eine ADHS, und ob sie das nicht von Fachleuten untersuchen lassen möchten.
Außerdem würde ich erklären, dass ich im Unterricht sehe, dass es dem Kind trotz aller Bemühungen nicht gelingt, die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten, und dies auch immer in den Zusammenhang stellen, dass das Kind Probleme hat, seine Potenziale auszuschöpfen, und eher nicht sagen, dass ein pathologisches Verhalten vorliegt, das man als Lehrkraft in der Klasse nicht mehr aushalten kann.
Ist ein Kind in der Klasse, das extrem ablenkbar oder impulsiv ist und vielleicht sogar anderen Kinder schadet, und es hilft nicht, dass das Kind ganz vorne sitzt, einen Tisch für sich alleine hat, dass man vieles tut, um es immer wieder zu fokussieren, dann muss man auch darüber reden, dass man handeln muss, weil sonst kein Unterricht mehr möglich ist. Die anderen Kinder haben auch ein Recht darauf, dass es einen funktionierenden Unterricht gibt und die Lehrkraft genug Zeit hat, sich auf die Klasse zu konzentrieren.
Noch besser als kleine Klassen wären aus meiner Sicht Klassen mit zwei Lehrkräften. Denn ein störendes Kind kann den Unterricht komplett lahmlegen. Man muss sich um dieses Kind kümmern. Bei zwei Lehrkräften kann die erste Lehrkraft den Unterricht aufrechterhalten und die zweite sich um die auffälligen Kinder kümmern. Dabei sind zwei Lehrkräfte besser als eine Lehrkraft und eine Schulbegleiterin o.ä., denn es geht darum, dass auch die auffälligen Kinder schulisch gefördert und nicht nur im Unterricht begleitend gefördert werden.
Im Alltag ist es manchmal schwierig, Verhaltensweisen, die auf die ADHS hinweisen, von problematischem Sozialverhalten abzugrenzen. Es gibt eine zunehmende Zahl von Kindern, deren Eltern ihnen keine Grenzen setzen und kein angemessenes Sozialverhalten beibringen. Sie unterstützen oder verteidigen ihre Kinder lange in ihrem Problemverhalten, manchmal auch, weil es zu Hause nicht so viele Probleme gibt, wenn die Kinder dort weniger mit Anforderungen konfrontiert sind und tun können, was sie wollen.
Die Eltern können es dann oft gar nicht glauben, dass sich ihr Kind so verhält, wie es die Lehrerinnen und Lehrer beschreiben. Da brauchen wir aus meiner Sicht wieder eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Familie und Schule.
Aber auch eine deutlichere Betonung dessen, dass es letztendlich die Lehrkräfte sind, die bestimmen, wie der Unterricht gestaltet wird. Ich glaube, dass die meisten Lehrerinnen und Lehrer heute sehr kompetent und besser ausgebildet sind als früher. Man sollte sie deshalb wieder mehr als die Fachpersonen respektieren, die sie sind. Und wenn eine Lehrperson sagt, dieses Verhalten ist nicht tolerierbar, dann sollte man das bis zu einem gewissen Grad auch akzeptieren und darüber reden, was verändert werden kann. Spricht man ihnen die Autorität ab, schafft man einen zusätzlichen Faktor, der ihre Handlungsmöglichkeiten einschränkt, mit dem Problem angemessen umzugehen.
Was würden Sie sich vom Schulsystem in Bezug auf ADHS wünschen?
Mehrere Dinge fände ich ganz gut. Eine gelungene Integration zum Beispiel. Wir neigen gerne dazu, uns über das amerikanische Schulsystem lustig zu machen und haben ein Faible für das, was wir in Skandinavien zu sehen glauben.
In den USA werden die Kinder aber ganzheitlicher gesehen, es gibt eine gute soziale Einbindung, die Schule ist mehr als nur Unterricht. Schon seit Jahrzenten gibt es ein Ganztagsprogramm, in das Sport und andere Aktivitäten integriert sind und auch soziales Verhalten gelehrt wird. Außerdem hat jede Schule eine Schulkrankenschwester oder einen -pfleger.
Wenn man nach Skandinavien schaut, muss man auch sehen: Wenn ich mehr Integration will, muss ich auch bereit sein, mehr zu investieren.
In einem Vortrag, den ich gehört habe, hat ein Wissenschaftler es als kalte Integration beschrieben, wenn Kinder einfach zusammen in eine Gruppe gesteckt werden, aber nichts getan wird, um eine entsprechende Förderung zu ermöglichen. Sinnvolle Integration würde bedeuten, dass eine zusätzliche Fachkraft in der Klasse ist, es einen Sozialdienst und einen vernünftigen psychologischen Dienst gibt, den man als Lehrkraft dazurufen kann. Diese Person könnte sich zeitweise in den Unterricht setzen, das Verhalten beobachten und die Beratung der Eltern übernehmen.
Im besten Fall könnten therapeutische Angebote in den Schulalltag integriert werden. So würden auch die Kinder erfasst und gefördert, die dringend eine Therapie bräuchten, aber nie bekommen, weil sie in Familien aufwachsen, in denen die Eltern das nicht leisten können. Wenn Integration gelingen soll, muss man sie personell abfedern und mehr Professionen ins Boot holen.
Das wäre nach meiner Meinung langfristig viel billiger als das, was wir gerade betreiben, wenn wir die Probleme erst dann angehen, wenn sie extrem groß geworden sind. Dann bedarf es oft umfassender Maßnahmen bis hin zu speziellen Schulen, Klinikaufenthalten und Jugendhilfe, die insgesamt viel teurer kommen als Prävention und frühe Interventionen im schulischen Rahmen.
Gibt es Informationsangebote für Lehrerinnen und Lehrer, die sich noch tiefer mit dem Thema auseinandersetzen möchten?
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Auf der Seite von ADHS Deutschland e.V. gibt es eine Broschüre, in der sich neben weiteren Strategien für den Unterricht auch ein Leitfaden für ein Schüler-/Schülerinnen- und ein Elterngespräch befindet sowie Informationen zu den schulrechtlichen Rahmenbedingungen.
→ Broschüre: ADHS und Schule -
Außerdem finden Sie eine Interventionstabelle für Lehrerinnen und Lehrer zur ADHS:
→ Interventionstabelle für Lehrerinnen und Lehrer
- Noch mehr in die Tiefe mit vielen Informationen und Tipps sowie Interventionsmöglichkeiten geht der „Lehrercoach“. Hier finden Lehrerinnen und Lehrer auch Downloads für ein Beobachtungsprotokoll oder einen Selbsteinschätzungsbogen für Schülerinnen und Schüler.
→ Lehrercoach
- Und alle, die sich für die Geschichte der ADHS interessieren, werden hier fündig:
→ Dr. Johannes Streif, Eine kleine Geschichte der ADHS
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